Die Reichsparteitage – alles nur Fassade 

„… und da hab ich doch glatt meinen inneren Reichsparteitag gefeiert!“ So die knapp siebzig jährige Großmutter am Frühstückstisch zu ihren Enkeln,

als sie gerade von den Erfolgen ihres letzten Chorauftritts erzählte. Eine Redewendung, immer noch verankert in den Köpfen der älteren Generation, die auch heute noch Verwendung findet und ihnen immer mal wieder  leicht und nichtsahnend über die Lippen geht. Ein Ausdruck innerer Freude und Genugtuung - Doch wo hat sie ihren Ursprung?
 
Die Q11-Geschichtskurse von Frau Karrer und Herrn Kurz machten sich am 27. Februar 2023 (somit auf den Tag genau 90 Jahre nach dem Reichstagsbrand) morgens um 8:30 Uhr in auf den Weg nach Nürnberg, der Stadt der Reichsparteitage zwischen 1933 und 1938. Trotz deutscher Bahn kamen alle pünktlich am Dokumentationszentrum an, wo sich die Kurse aufteilten und sich mit dem jeweiligen Rundführer auf den Weg machten, um die nähere Geschichte des Reichsparteitagsgeländes zu erfahren. Startpunkt war der Innenhof der Kongresshalle. Ein Monumentalbau der NSDAP, was nicht nur stark dem antiken Kolosseum in Rom ähnelt, sondern vor allem auch nie vollendet wurde. Geplant war, dieses Gebäude für nur einen einzigen Tag im Jahr zu nutzen. Sie wollten ein allüberspannendes Dach über Tribünen für 50 000 Menschen, Glasintarsien über dem Rednerplatz Hitlers, um ihn zum einzigen zu machen, der vom Sonnenlicht bestrahlt wird. Dies sollte ihm etwas Heiliges verleihen, den „Führermythos“ nur noch verstärken. Mithilfe fünf Meter hoher Türen sollte unter anderem der Einzelne sich in der Menge so klein wie möglich fühlen, was den Kontrast zwischen der Einzelperson die in der Masse verschwindet und Hitler dem Führer nur noch hervorheben sollte. Jeder Eingang, jede Säule und jedes Fenster waren perfekt konzipiert, schafften eine von vorn bis hinten durchgeplante Inszenierung und es war nichts anderes als Propaganda auf architektonische Art und Weise.


Was aus all diesen Plänen geworden ist? Eine nur in ihren Grundzügen fertiggestellte Kongresshalle, dessen Wände vierzig, statt siebzig Meter hoch sind und trotz der 42 Millionen verbauten Ziegelsteine nichts von all den Plänen zu Ende gebracht wurde. Gut so!
Weiter ging’s auf die “Große Straße”. Eine zwei Kilometer lange und sechzig Meter breite Straße, die dem Zweck diente, der Wehrmacht einen pompösen Aufmarsch zu erlauben. Mit direkter Sichtachse auf die Burg ist auch hier die Zurschaustellung der Macht der NSDAP das Ziel und spannt somit den Bogen zum “ersten Reich” Deutschlands, dem Heiligen Römischen Reich. Eine Besonderheit dieser Straße sind die rauen Granitquadrate, die im Schachbrettmuster die Große Straße formen. Warum? Ist nicht die Außenwand der Kongresshalle mit glatten Granitquadern gepflastert? Dies hat im Endeffekt rein praktische Gründe: denn, was wäre peinlicher gewesen, als wie wenn die große Wehrmacht - die doch so viel Gewalt, Autorität und Stärke für sich beanspruchte - ihre ganze Formation wie Dominosteine umfallen lässt, nur weil jemand ausgerutscht ist?
Das Ende der Tour mündete auf der Tribüne des Zeppelinfelds, welches neben der Luitpoldarena das einzig wirklich fertiggestellte Bauwerk war. Die Arena wurde hauptsächlich von der Hitlerjugend in Anspruch genommen, die dort „paramilitärische Spiele“ austrugen. Neben Schaukämpfen gab es auch Staffelläufe mit Gasmasken, Granatweitwurf und Schwimmen in Militäranzügen.
 
Diese Inszenierung für die Welt und v.a. die deutsche Bevölkerung getarnt als Reichsparteitage in den 1930ern, sollte so groß wie möglich sein. Es sollte pompös, glanzvoll und protzig sein, das Volk in Feierlaune bringen und sie gleichzeitig ehrfürchtig zu Hitler aufblicken lassen. Dahinter steckte das propagandistische Ziel, der NSDAP die alleinige Macht zu sichern, das Volk so zu überzeugen und zu stärken, dass Deutschland als ein starkes, einheitliches Land in den Krieg ziehen konnte, und nichts anderes. Sie vertuschten, inszenierten, gaukelten vor und belogen. Also nichts, womit man sich rühmen sollte und vor allem nichts, was man in der heutigen Welt als Ausdruck der wahren Freude benutzen sollte, wo doch die Reichsparteitage nichts anderes als ein weiterer Grundstein war, der direkt in den Holocaust und den zweiten Weltkrieg führte. Und auch wenn hinter der einleitenden Redewendung keine bösen Absichten stecken, so sollte man doch die Geschichte kennen und mit ein wenig mehr Achtsamkeit durch die Welt gehen. (Jule/Nika, Q11)