Michaela M. und Isabell G., 8b, Theodolinden - Gymnasium  

Unsicher stehen wir, zwei 14-Jährige Gymnasiastinnen, im Dönerimbiss an der Tegernseer Landstraße im Stadtteil Giesing. Dort sind wir mit zwei türkischen Mitschülerinnen Meltem und Sibel (Namen geändert) verabredet, um mit ihnen über das Leben türkischer Mädchen in Deutschland zu sprechen. Die Zeitungen schreiben in den letzten Wochen viel über die Türkei. Die Menschen fragen sich, ob es richtig ist, dass dieses Land in die EU aufgenommen werden soll. Wir haben uns aufgemacht, um mehr über unsere türkischen Mitmenschen zu erfahren. Der Laden gehört Meltems Cousin, deshalb ist sie oft dort und kennt die Leute. Sie ist gerade dabei, uns einen Döner zuzubereiten. Die Türken sind hier unter sich und es fällt kein einziges deutsches Wort. Wir fühlen uns fremd, obwohl wir in unserer Heimatstadt sind. Alles ist türkisch: Die Fließen am Boden, die Lebensmittel, die Menschen und die Tradition. Gerade tritt ein älterer Mann ein und der Cousin küsst ihm die Hand. Sibel erklärt uns, man tue dies aus Respekt. Meltem meint, Deutschland könnte von der Türkei in solchen Dingen, wie Gastfreundschaft, einiges lernen. Jeder bekommt einen Döner und wir beginnen unser Gespräch über Sprache, Beruf und Religion.
Die beiden Mädchen sind in München aufgewachsen und haben ähnliche Probleme wie die  anderen Türkinnen in dieser Stadt. Viele von ihnen tun sich schwer, in der Schule mit den Einheimischen mitzuhalten, da sie Türkisch besser beherrschen als Deutsch. Dazu kommt, dass sie zu Hause und auch sonst bei jeder Gelegenheit, wie z.B. in den Schulpausen miteinander nur Türkisch sprechen und somit die deutsche Sprache vernachlässigen.

Für türkische Hauptschülerinnen, die schon früh einen Beruf wählen müssen, gibt es viele Einrichtungen, die sie unterstützen,

beispielsweise das Arbeitsamt oder den Giesinger Mädchentreff..

Meltem ist die einzige in ihrer Familie, die noch auf dem Gymnasium ist. Ihr Vater möchte, dass sie studiert. Aber auch wenn sich Meltem anstrengt und den Zugang zum Studium schafft, hätte sie es nicht einfach. Angenommen, sie will später einmal Ärztin werden. Aber würden Deutsche zu einer türkischen Ärztin gehen? Die Einstellung in

der ganzen Gesellschaft müsste sich ändern. Heutzutage hat man es schon schwer, sich als Frau in einem anspruchsvollen Beruf durchzusetzen. Wie schwer ist es dann erst als türkische Frau? Derzeit würden wahrscheinlich nur Türken zu einer türkischen Ärztin gehen.

Außerdem berichten uns unsere Schulkameradinnen, dass sie nie einen Deutschen heiraten dürfen und dies auch nicht wollen, weil es aus religiösen Gründen, wie zum Beispiel der Beschneidung, nicht zugelassen ist. Der Deutsche müsste dann Moslem werden, dürfte kein Schweinefleisch essen, müsste in die Moschee gehen und sich beschneiden lassen. Aber sie erzählt uns auch, dass es muslimische Mädchen gibt, die sich der deutschen Kultur anpassen.

Sibel erklärt uns, die Kultur in den türkischen Städten sei längst nicht so streng, wie hier in Deutschland behauptet wird. Auf dem Land hingegen sei die Behauptung berechtigt. Viele türkische Stadtmädchen liefen sogar freizügiger herum, als ihresgleichen hier in München.

Ein weiteres Problem ist die Aufklärung. Die östliche Kultur lässt es nicht zu, dass die Mädchen mit männlichen Bezugspersonen offen über Sexualität reden. Sie werden nicht einmal von ihrem eigenen Vater über Verhütung aufgeklärt, womit die meisten deutschen Jugendlichen Töchter keine Probleme haben.

Nach diesem aufschlussreichen Gespräch verabschieden wir uns von Meltem und Sibel.  Als wir den Dönerimbiss wieder verlassen, kommt es uns vor, als wären wir gerade in einer anderen Welt gewesen. Wir tauschen unsere Eindrücke über das Gespräch aus und stellen fest, dass die Gemeinsamkeiten trotz aller kulturellen Unterschiede doch überwiegen.