Interview von Julia F., Julia U. und Nora V., 8b TLG

München – Harlaching,  Dezember 2004
Man hört immer wieder, wie stressig das Leben und wie anstrengend die Arbeit  einer Ärztin/ eines Arztes ist. Andererseits gibt es auch positive Seiten. Um dieses genauer zu erfahren, sprachen wir mit der Oberärztin der neurologischen Abteilung Frau Dr. Velho im Krankenhaus Harlaching:

- Wie sind Sie auf den Beruf Ärztin gekommen?

Mein Vater war selbst Arzt und mein Vorbild. Außerdem hat mich Medizin schon immer interessiert.

- Wie lange arbeiten Sie schon im Krankenhaus?

Mein medizinisches Staatsexamen habe ich 1966 absolviert. Seit 1976 arbeite ich in diesem Krankenhaus.

- Was gefällt Ihnen an diesem Beruf?

Es gibt attraktive Seiten, wie z.B. Menschen helfen, das ist eine große Herausforderung, weil es schwierige Krankheitsbilder gibt. Es ist fast eine kriminelle Sache herauszufinden, was los ist. Um das herauszubekommen, muss man Gespräche mit den Patienten führen, man braucht Beobachtungsgabe, Geräte und alle Sinne und dann entscheidet man, ob weitere Untersuchungen (wie Blut- oder Urinproben, Röntgen, Computertomogramme, Kernspintomographe, Nervenwasseruntersuchungen mit sterilen Nadeln, EEG- Stromkurven, Muskeluntersuchungen und Nervenleitgeschwindigkeitsuntersuchungen) notwendig sind. Nach den Untersuchungen kann man feststellen, was dem Patienten fehlt.

 Doch es gibt auch anstrengende Seiten, wegen den jungen Ärzte, die ständig Fragen stellen und Superversionen, d.h. die unerfahrenen Ärzte werden über die Fälle aufgeklärt.

- Wie sieht ihr Tagesablauf aus?

Um kurz nach acht bin ich im Krankenhaus, trinke schnell einen Kaffee und mache eine Arbeitsvorbereitung. Das alles schreibe ich auf eine Liste. Um 8:30 Uhr beginnt eine Konferenz, an der alle Oberärzte teilnehmen. Bei dieser Konferenz wird besprochen, wer in der Nacht eingeliefert wurde, sogenannte Röntgendemonstrationen.

Danach habe ich Hintergrundsdienst, bei welchem ich Assistenzärzten bei ihren Problemen helfen muss. Je nach Erfahrung rufen sie mich auch mitten in der Nacht an und wenn es ein katastrophaler Fall oder eine schlimme Krankheit ist, dann fahre ich von Schwabing in die Klinik.

Alle Ärzte haben Hintergrundsdienst. Danach muss ich Visiten  auf verschiedenen Stationen führen und jeden Patienten besuchen. Ein Oberarzt hat zwei mal pro Woche Visiten, der Chef nur eine. Wenn ich mit

einer Visite fertig bin, dann habe ich Consile. Anschließend überwache ich EEG- und Hirnstromkurven. Bei einem schwer verletzten Patienten kann das schon mal 1 1\2 Stunden dauern. Insgesamt habe ich am Tag drei Stunden ungeplante Arbeiten zu verrichten. Man muss immer vorbereitet sein, nicht wie z.B. bei einer Bücherei. Es gibt auch ungeplante Arbeiten mit Notfällen.

Junge Ärzte bilde ich aus und superiere sie. 1-3 Ärzte wählen den Fachberuf Neurologe. Leider wird immer viel zu wenig gewusst, dann stehe ich ihnen für Antworten zur Verfügung.

Bei dieser Abteilung gibt es unzählbare Konferenzen. Die Briefe, die von  den auszubildenden Ärzten geschrieben wurden, muss ich überprüfen und wenn sie stimmen, unterschreibe ich und der Chefarzt.

Ich bin offiziell um 17 Uhr fertig, inoffiziell um 19 Uhr. Selten komme ich vor 20 Uhr nach  Hause. Ich kann mir keinen freien Tag nehmen, obwohl ich über 120 Überstunden habe. Allerdings muss ich auch am Wochenende arbeiten.

- Wie steht Ihre Familie dazu?

Mein Mann akzeptiert meine Arbeit, denn er muss selber viel arbeiten.

-Was finden Sie an Ihrem Beruf stressig?

Ich muss ständig flexibel sein und die permanente fehlende Planbarkeit macht mir zu schaffen. Ich muss immer bereit sein. Außerdem ist die Bürokratie sehr schlimm. Meistens füllen junge Ärzte Briefe, Tabellen etc. aus, manchmal machen das auch Oberärzte.

- Warum arbeiten Sie in der neurologischen Abteilung?

Ich habe mich schon früh für die Neurologie entschieden, denn ich finde das Nervensystem interessant.  Wir haben Nerven von den Fingerspitzen bis in die Zehenspitzen. Es gibt viele Fälle neurologischer Art.

- Was für Patienten und mit welchen Fällen kommen zu Ihnen?

Patienten mit Parkinson, Schlaganfällen, Multiple Sklerose, entzündlichen Krankheiten, epileptischen Anfällen, Bandscheibenvorfällen, Schäden in den Nerven und peripheren Nervenschäden kommen zu mir.

- Was würden Sie an Ihrem Beruf ändern?

Ich würde die Bürokratie, die sich breit gemacht hat, abschaffen. Sonst würde ich medizinisch nichts ändern. Ich würde den Beruf auch nicht wechseln.