- ein Schaufenster möglicher Welten Wie jedes Jahr wählten wieder eine große Anzahl von Kollegiaten ihr Facharbeitsthema aus dem Bereich der Kunsterziehung. Jeder nutzte die Möglichkeit das Thema selbst zu wählen und zum Teil nach langen Entwicklungsprozessen zum eigentlichen Inhalt zu gelangen. Bei einigen Kollegiaten war deshalb der Weg intensive künstlerische Auseinandersetzung, aber auch persönliche Entwicklung. Unterschiedlicher hätten die Facharbeiten in Themenwahl, Präsentation und Technik nicht sein können: Computereinsatz und traditionelle Holzbildhauerei, Fotografie und Metallskulptur, Schaufenstergestaltung und japanische Comics, Masken und politische Agitation. Frauengestalten wie Lilith werden in unserer Jetzt Zeit vermarktet. Zidane, eine Heldin aus dem Reich Kirolis, trotzt kämpfenden Mächten im Jahr 2057, eine fächerübergreifende Arbeit mit dem Fach Deutsch. Eine weitere Comic - Heldin sucht ein außerirdisches Wesen für die Erfüllung ihrer sehnsüchtigsten Träume. Der Stadtführer über Konstanz zeigt einen individuellen fotografischen Bilderbogen. Die Alltagsästhetik der Stadt wird von einer Kollegiatin in Form einer Schaufenstergestaltung für Schuhe genauer beleuchtet. Das Herz des Menschen" erscheint abstrahiert umgesetzt in einer Metallplastik. Eine Holzskulptur im Stromliniendesign der 6oer Jahre zeigt die traditionelle Holzbildhauerei. Gipsmasken weisen auf die unterschiedlichen Aspekte gesellschaftlicher Schönheitsvorstellungen hin. Konkret mit unserer Welt setzt sich eine Kollegiatin auseinander. Anlaß für ihre Installation Kopflos" ist der 11. September 2001 und der Terroranschlag auf die USA.
Eva Egger: Verfassen und Gestalten des Anfangskapitels eines Science - Fiction Fortsetzungsromans.
Einst im Jahre 2057 schlug ein Meteorit auf der Erde ein und seine dunklen Begleiter, Verwüstung, Zerstörung und Verzweiflung, wüteten auf der Erde und stürzten sie in ein Meer aus Tränen." So beginnt die Kollegiatin Eva Egger ihre eigene Version einer Science - Fiction Geschichte. Die Arbeit ist fächerübergreifend angelegt. Das Verfassen der Geschichte ist von der Kollegin Frau Beron betreut worden. Die Illustration der Geschichte im Stil der japanischen Mangas ist der künstlerische Anteil der Arbeit.
Die Heldin der Geschichte, Zidane, kämpft gegen despotische Mächte in einer Art Söldnercorps, das Spioanage-, Sabotageakte und Einbruchsdelikte ausführte. Man nennt sie die Nachtjäger.
Zidane del Rey steckte ihren Kopf in den Luftschacht, klemmte sich die Atemmaske zwischen die Zähne und sprang. Kopfüber rauschte sie im freien Fall an den stillgelegten Ventilatoren des Belüftungssystems vorbei und glitt sekundenschnell durch die aufgerichteten Filterklappen, die unter normalen Umständen den Computerraum des Uransit - Konzerns luftdicht abschotteten...."
Passagen, welche die Kollegiatin in ihren japanischen Comics umsetzt, zeigen auch die wichtigsten Elemente des japanischen Mangans: Die Zersplitterung des Bildes, die Möglichkeit der Nahaufnahmen, die Simultanität der Ereignisse und den Einsatz von Rasterfolie. Sie verfolgt dabei immer das japanische Figurenschema, das sie perfekt umzusetzen weiß.
Klaudia Flisar: Gesichter der Menschen unter sozialkritischem Aspekt
Klaudia Flisar beschäftigt sich mit dem Maskenwesen der Naturvölker. Masken verkörpern Geister und Ahnen, aber auch Dämonen und Krankheiten, die rituell beschworen werden.
Sie schreibt über die Geschichte der Maske im Karneval. Antike Maskenfeste, die dem Gott des Weines und der Fruchtbarkeit gewidmet waren, die Dionysien und römische Feste der Saturnalien zu Ehren des Gottes der Saat. Die Tradition, den Winter und die Unfruchtbarkeit zu vertreiben, blieb erhalten. Nach einem Maskeradenverbot im 15. und 16. Jh. war im 17. Jh. das Tragen von Masken wieder erlaubt. Die klassische venezianische Maske beschäftigt die Kollegiatin am meisten.1796 wieder verboten wurde der venezianische Karneval wieder 1978 belebt. Maske und Maskierung in der Filmbranche behandelt sie anhand des Zeichentrickfilms Die Schöne und das Biest". Hier findet sie inhaltlich den Anhaltspunkt für ihre praktischen Arbeiten. Den Schönheitsidealen" und ihrer gesellschaftlichen Relevanz versucht die Kollegiatin in eigenen Masken nachzuspüren. Als Grundlage dienen vorgefertigte Formen venezianischer Masken, die ihrer Schönheitsvorstellung entsprechen und jeweils nach Schön" und Hässlich" bearbeitet werden.
Bianca Häutle: Die Welt als Ware. Der schöne Schein in der zeitgenössischen
Kunst
Mit Lilith, carpe noctem" auf einer selbstentworfenen Verpackungstüte wirbt die Kollegiatin für ihr selbst entworfenes und genähtes Produkt, ein Dessousset aus Pflanzenblättern. Sie fügt eine ganze Palette von Stoffmustern zur Auswahl bei.
Auf ihrem Plakat trägt und inszeniert Bianca Häutle in verschiedenen Posen ihr zu erwerbendes Produkt. Hintergrund für ihre Fotoaufnahmen ist der Botanische Garten. Diese wiederum werden zu einem kleinen Heftchen verarbeitet, in dem sie mit delikaten Werbetexten und Fotografien ihrer Person die Notwendigkeit zu dem Kauf gerade dieses Produktes auffordert.
Auf der Spur kommerzieller Marktstrategien benützt sie das Internet um für ihr Produkt zu werben. Eine Beschreibung des Produktes und einer Bestellliste lässt keine Wünsche mehr offen.
Eine zusätzliche Fernsehaufnahme erweitert den Kundenkreis, der sich an die Internetadresse für eine Bestellung wenden kann.
Die Adressen werden allesamt aufgezeichnet und die Interessenten erhalten dann den wichtigen entscheidenen Hinweis darauf, dass Bianca Häutle nur zum Schein eine Dessouskollektion anbietet und den interessierten Käufer bezüglich seiner Erwartungshaltung überführt.
Die Kollegiatin Bianca Häutle dokumentiert ihre Verkaufsstrategie" in einer Präsentation der Objekte, die wie Beweismittel wiederum sorgfältig in Plastiktüten verpackt werden, um sich ihrer Realität in einer Welt als Ware" zu versichern. Sie geben Zeugnis über eine scheinbare Produktion der Ware Dessous" und geben die Verpackung von Bedürfnissen und Sehnsüchten innerhalb vorgefertigter gesellschaftlicher Rollenbilder von Mann und Frau wieder.
Janina Hammer: Der menschliche Körper und die Naturelemente- Eine photographische Annäherung
wählte Janina Hammer drei Positionen der Aktfotografie aus dem 20. Jahrhundert, die aus verschiedenen Blickwinkeln Körperskulpturen in Szene setzen. Naturformen lassen oft menschliche Körper assoziieren. Organische Strukturen aus dem Bereich der Naturelemente werden analog zum menschlichen Körper gesetzt und in Bildpaaren zu einer harmonischen Einheit ergänzt
oder in Frage gestellt. Edward Weston, ein Avantgarde - Fotograf Anfang des 20. Jh., schafft die größte Verbindung von Aktfotografie und Naturmotiven.
Weiter interessiert die Kollegiatin Robert Mapplethorpe, dessen Pflanzenmotive mittels kühler Ästhetik Erotik und Härte evozieren. Die gesellschaftliche Härte spiegelt sich auch in der fotografischen Darstellung homosexueller Ästhetik, die von Herb Ritts als gesellschaftskritische Provokation in seiner Darstellung der Black Boys" weitergeführt wird. Körperinszenierungen, Formausschnitte und Posen interessieren Janina Hammer, ebenso wie Tabuisierungen.
Ihre Bildskizzen kombiniert sie zu poetischen Bildpaaren, die einen Kosmos von Form- und Naturschönheiten einfangen sollen und eine leise Erotik vermitteln.
Patricia Heider: Konstanz- Ansichten einer Stadt
Entstanden ist ein Stadtführer, der fotografisch die Stadt Konstanz beleuchtet und die Erwartungshaltung gängiger Stadtführer unterwandert und auf die Kraft der Fotografien und Bildkompositionen setzt.
Patricia Heider beschäftigt sich intensiv mit der Suche nach geeigneten gestalterischen Ausdrucksmöglichkeiten für ihre soziologischen und wahrnehmungspsychologischen Betrachtungsweisen. Die Wahl des Mediums Fotografie als dokumentatorische Möglichkeit ist das Ergebnis intensiver Suche nach Kunstströmungen mit ähnlicher Intension, den Lebensraum Stadt zu portraitieren.
Wie z.B. Eugene Atget, der das Paris des 19. Jahrhunderts dokumentierte. Thomas Struth, ein zeitgenössischer Fotograf mit seinen Straßenfluchten und Häuserfassaden und Stephen Shore, der 1973 seine Uncommon places" als Fotoband herausgab.
Sie bereitet ihr Fotomaterial in Themenbereichen auf und collagiert bewusst jede Bildseite aus einer farbigen unscharfen Grundseite, auf die konträr oder ergänzend weitere Fotos integriert werden.
Katrin Korzenietz: Schaufenstergestaltung- Rauminstallationen im öffentlichen Raum
In Interviews mit Schaufensterdekorateuren bekannter Geschäftshäuser in München nähert sich die Kollegiatin persönlich der Berufssparte und der Alltagsästhetik einer Stadtkulisse.
Schaufenstergestaltung gleicht künstlerischen Rauminstallationen , manchmal sind die Grenzen fließend.
Die Kollegiatin erwähnt Künstler wie Andy Warhol, der Schaufenster künstlerisch eingesetzt hat oder Sophie Calle, die bewusst Rauminstallationen mit bekannten in Bronze gegossenen Produkten der
Warenwelt als Zeitikonen aufbaut. Das Betrachterverhalten und wichtige Gestaltungskriterien von Schaufensterinstallationen setzt Katrin Korzenietz in ihrer Schaufensterkiste" für Schuhe um. In einr sommerlichen heiteren Strandlandschaft erregen Winterschuhe die Aufmerksamkeit des Betrachters.
Stefan Memminger: Das Herz des Menschen" _ Entstehung einer Metallplastik
Die Idee eine Metallplastik zu erstellen stand schnell fest. Die Form hat der Kollegiat sich schrittweise erarbeitet. Parallel zur Auseinandersetzung mit der kunstgeschichtlichen Entwicklung der Metallplastik hat sich auch seine Vorstellung von einer stark realistischen Formwahl zu einer eher abstrahierenden Gestaltung hin entwickelt, die auch dem experimentellen Vorgehen mehr Raum lässt.
Wichtige künstlerische Positionen wie Alexander Calder mit seinen Kinetischen Mobiles,
Tinguely und seine sich bewegenden Schrottmaschinen, Richard Serra mit seinen
überdimensionalen, raumschaffenden Metallwänden im öffentlichen
Raum geben ihm Anregung,
Die Möglichkeit, in einer Werkstatt schweißen zu können, begünstigt sein Vorhaben, eine Metallplastik aus einer Metallscheibe, Rohrgebilden und einer Spiegelplatte mit zum Teil farbiger Bemalung montieren zu können.
Der Betrachter wird durch seinen Blick in den Spiegel miteinbezogen und kann sich von allen Seiten dem Herz des Menschen" über die sinnliche Präsenz der Materialien nähern.
Alexander Stamminger: Anfertigen einer Gebrauchsskulptur aus Holz mit den traditionellen Mitteln der Holzbildhauerei
Die Freude und Lust an dem Material Holz ist der Ausgangspunkt für den Kollegiaten sich ohne handwerkliche und technische Vorkenntnisse an eine Holzskulptur zu wagen.
Die Suche nach einer Werkstatt, die Material, Werkzeug und Maschinen zur Verfügung stellt, ist über einen langen Zeitraum hinweg die erste wichtige Etappe auf dem Weg zu der Holzskulptur.
Im Stromliniendesign der 60er Jahre entwirft Alexander Stamminger sein Gebrauchsobjekt einer Schale" aus amerikanischem Kirschbaumholz.
In seiner theoretischen Abhandlung beschreibt der Kollegiat sehr präzise die bewusste Planung der Holzverleimung um eine optimale Musterung an der Oberfläche zu erhalten, die Bearbeitungsmöglichkeiten mit den verschiedenen Schnitzwerkzeugen bis zur abschließenden Oberflächenbehandlung.
Skizzen, Modelle, Graphiken, Holzproben, Schnittproben und eine originelle Spänesammlung unterstützen die klare, schlichte und harmonische Form der theoretischen und praktischen Arbeit.
Ute Vogl: Ein gesellschaftskritisches Environment Kopflos"
Die Kollegiatin Ute Vogl wagt sich an ein aktuelles brisantes Thema, das im Laufe der Facharbeit durch den Terroranschlag auf die USA am 11. September 2001 erst richtig in den Blickpunkt gerückt ist.
Künstlerische Anlehnungen findet sie bei Edward Kienholz mit seinen gesellschaftskritischen Environments, der Wirklichkeitsräume nachstellt und den Betrachter zum Beispiel direkt mit einbezieht in sein Tragbares Kriegerdenkmal" 1968.
Auch Ute Vogl verarbeitet die verschiedenen Wirklichkeitsebenen zu einem multimedialen und sinnlich gesamtheitlichen Raumgefüge. Der Betrachter wird durch eine Musikeinspielung von Enya Only Times", die zu Gedenken an den Terroranschlag am 11. September 2001 in den USA in sämtlichen Radiostationen abgespielt wurde, emotional berührt und mit eingespielten Textpassagen aus Pressemeldungen und aus der Rede von George Bush zu dieser Tat konfrontiert.
Das eingeblendete Dia der Kollegiatin als trauernde Person gibt ihre Betroffenheit wieder und bietet Identifikation.
In der Mitte befindet sich ein Jeanstorso, in den jeder hineinschlüpfen kann und der für Identitätslosigkeit steht. Dieser Torso sitzt auf einem Stuhl, welcher auf allen Seiten mit Nägeln beschlagen ist und eigentlich unwirtlich zu verharren scheint, die Person aber bleibt scheinbar doch sitzen. Ein Zeichen für die passive und resignative Haltung der Gesellschaft. Ein Blick in den Spiegel, der sich innerhalb der Hose befindet, lässt den Betrachter erkennen, dass er selbst der untätige Mensch ist. Im Hintergrund sind in einer Raumecke Zeitungsartikel zu gesellschaftskritischen Themen wie Krieg, Rassismus, Drittes Reich und Diktaturen aus verschiedenen Ländern aufgeklebt. Darunter ein Dokumentarfoto strangulierter Juden, die die Kopflosigkeit der Gesellschaft symbolisieren. Mit roter Farbe überschreibt sie plakativ die Zeitungsartikel mit Warnrufen zum Terror auf dieser Welt.
Immergrüner Efeu und Stacheldraht um die Figur herum verkörpern emotionale Distanziertheit und die Hoffnung auf ihre Überwindung. Und mitten in der Zeitungswand erscheint in einem Fernseher das alltägliche MTV Fernsehprogramm mit Bildern und Tönen aus einer bunten, vergnüglichen Welt der Werbung und der Unterhaltung.
Carolin Werner: Comic - Gestaltung
Auch Carolin Werner widmet sich intensiv den japanischen Mangas und ihren Gestaltungsprinzipien und erstellt eine eigene Geschichte als Comic-Heft.
Sie ließ sich inspirieren von Comics wie Elfquest" oder Sailermoon". Am meisten interessierte sie sich für Mangas, die westliche, religiöse Symbole und Charaktere mit einbezogen
Da gibt es schon mal Engel, die kaltherzig, egoistisch und brutal dargestellt sind, aber auch Dämonen, die sich um das Wohl anderer kümmern."
In ihren Illustrationen zu ihrer Geschichte Angel´s Cage" setzt die Kollegiatin ihre Kenntnisse der Manga-Gestaltung in einem kleinen Heftchen um, das in Mangamanier von hinten nach vorne zu lesen ist.
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