O Captain! My Captain!"

Peter Weirs Schulfilm „Der Club der toten Dichter."

Eine Dreizehnjährige schwärmt über den Lehrer Keating: „Wenn die Lehrer doch alle so wären!" Ein Oberstufenschüler fragt mehrmals hintersinnig: „Kennen Sie den ,Club der toten Dichter'?" Der Film von 1989 ist längst zum Kultlichtspiel aller Jugendlichen geworden, die noch zur Schule gehen. Er ist von meisterhafter Faktur. Die Geschichte des Drehbuchautors Tom Shulman, der eigene Schulerlebnisse aus dem Jahre 1959 darin verarbeitet hat, ist in sich bruchlos, hochdramatisch und von spannender Dichte bis zum tragischen Ende, an das sich eine unüberhörbare Botschaft knüpft. Die jugendlichen Darsteller sind sämtlich Schauspielschüler, der Drehort ist eine idyllische „upper class school" in Delaware.

Eingangs tragen, anlässlich der Feier des Schuljahrsbeginns, vier Schüler Tafeln mit den Prinzipien „Tradition", „Ehre", „Disziplin", „Leistung" dieser auf das College vorbereitenden Knabenschule in den Versammlungssaal. Sonntagsreden werden geschwungen. Der neue Englischlehrer Keating wird vorgestellt. Dann folgen Szenen aus dem Unterricht. Die Lehrer pochen auf Ordnung und Leistung. Keating führt die verblüfften 15- bis 16jährigen Jungen in das epikureische „carpe diem" ein, das zu ihrem Motto werden wird. Wenn sie den Tag nicht nutzen, werden sie irgendwann tot sein und mit ihren Leibern Narzissen düngen, ohne selbst gelebt zu haben. In den Worten des amerikanischen Schriftstellers Thoreau gilt es „das Mark des Lebens in sich aufzusaugen". Sprache ist nicht erfunden, um zu kommunizieren, sondern Frauen zu umwerben. Keating lässt seine Schüler auf die Tische steigen, um ihnen eine neuartige Perspektive der Dinge vorzuführen. In seinem Unterricht sollen sie selbständig denken lernen. Denn je länger sie damit warten, desto geringer ist die Wahrscheinlichkeit, dass sie es später können. „Haben Sie den Mut, Ihren eigenen Weg zu suchen."

Er bringt ihnen „das barbarische Yawp" bei, einen Aufschrei ihres animalischen Selbsts, das auch in ihnen steckt. Er lehrt sie in der Sportstunde das Ausschreiten nach ihrem eigenen, nicht nach einem von anderen vorgegebenen Rhythmus. Endlich führt er sie in die Poesie, den Traum, die Phantasie, das Erwecken des Innenlebens ein, indem er sie in den ,Club der toten Dichter' einweiht. In nächtlichen Zusammenkünften zelebrieren sie dieses ihnen neu nahegebrachte Land durch Dichterlektüre und allerlei Phantasieausschweifungen.

Der Lehrer gerät schnell in Gegensatz zur Schulleitung und zu seinen Kollegen sowie zu den Eltern, während die Schüler ihm fasziniert folgen. Zu den Klängen von Beethovens Schlusschor aus der 9. Symphonie tragen sie ihn im Triumph vom Sportplatz. Die Lehrer-Schüler-Idylle wird allerdings zu einem tragischen Knoten geschürzt. Der Schüler Neil Perry, Keatings „carpe diem" auf den Lippen,




getraut sich, seinem lange und intensiv gehegten Wunsch zur Schauspielerei nachzugehen. Der Vater,

der einen strebsamen, im Praktischen reüssierenden Sohn verlangt, verbietet es ihm. In der Klemme zwischen Lebenswunsch und Pflicht erschießt sich Neil.

Das Ressentiment aller Eltern und der Schulleitung ergießt sich über Keating, der entlassen wird. Der frühere Schulalltag scheint wieder einzukehren. Da klettern die Schüler inmitten einer Unterrichtsstunde und trotz der wütenden Proteste des Direktors zur Verabschiedung Keatings auf die Schulbänke. Mit einem „Danke, Jungs" geht Keating aus ihrem Leben. Sie haben mit dieser Geste gewiß einen neuen Standort gewonnen, allerdings um den Preis eines Toten.

Filme über Schule, Lehrer und Schüler zerfallen in zwei leicht unterscheidbare Gruppen. Entweder löst ein charismatischer Pädagoge alle Tücken des Schulalltags kraft seiner souveränen Persönlichkeit, die den unfähigen restlichen Lehrern gegenübergestellt wird (Typ: Fliegendes Klassenzimmer) oder ein bösartiger und verschrobener Trottel von einem Pädagogen sucht die natürliche Entwicklung Jugendlicher zu behindern (Typ: Blauer Engel). Daneben sind differenzierte Filme zum Schulalltag eine Rarität. Richard Brooks „Saat der Gewalt" fällt als Ausnahme ein. Die Lehrer der dort gezeigten Schule nehmen, neben dem Protagonisten, durchaus eigene Züge an, ebenso wie die an der Handlung beteiligten Schüler.

Schulfilme geraten leicht zu Spielplätzen der Utopie, einer allerdings nur in Grundzügen angedeuteten, niemals ausgeführten Vorführung „menschlicherer" Erziehung als sie sich bisher entfalten konnte. Weirs Film ist hier kaum eine Ausnahme. Während die allzu simplen übrigen Filme dieser Art kaum diskussionswürdig sind, will Weir durch die letztendliche Tragik, die in ihrer Ursächlichkeit den Eltern und der Schulleitung zugeschoben wird, in seiner Aussage ernst genommen werden.

Indes greift auch sein Film zu simplifizierenden Mitteln. Kein anderer Lehrer wird neben Keating als Individuum sichtbar. Sie bilden den geschlossenen Block der fossilen Altlehrer, die dem Helden beim guten Handeln Hindernisse in den Weg legen. Nur einer von ihnen scheint Keating mit einer müden Handbewegung vages Beipflichten zu verstehen zu geben. Der Film suggeriert letztlich, dass eine vernünftige und vorwärtsweisende Erziehung, wie schon so oft, an der gemeinsamen Verschwörung der Pädagogen und der Eltern gescheitert ist.

Die Halunken sind festgemacht. Aber nicht sie werden bestraft, sondern der Gute. Der Film zwingt den Zuschauer, wie im Western, in einen emotionale Schwarz-Weiß-Sicht, der man sich kühlen Kopfs kaum entziehen kann. Ähnliches hat Forman mit „Einer flog übers Kuckucksnest" zuwege gebracht, bei dem die Kinozuschauer regelmäßig klatschen, wenn der Held der bösen Oberschwester an die Kehle geht, ohne dass auch nur andeutungsweise aufgezeigt würde, was denn mit den psychisch kranken Menschen, die niemand haben will, geschehen solle.

Beide Filme sind insofern nicht an der Praxis orientiert. Sie sind nicht aufklärerisch, sondern durch den gelenkten Zorn, ihre geradezu demagogisch gerichtete Affektentwicklung, Verhältnisse vernebelnd. Bekanntlich ist hohe Emotionalität ruhigem Abwägen nicht förderlich. So werden die Praktiker in den jeweiligen Institutionen generell und ohne viel Federlesens zu den Schuldigen. Weir und Forman befriedigen bei jedem Zuschauer unweigerlich vorhandene Triebhaftigkeit durch Aggressionssteuerung. „Agieren" nannte Freud die Tendenz des Neurotikers, seine latenten Triebfixierungen (Aggression in diesem Fall) auszuleben, anstatt sich ihrer zu erinnern, sie durchzuarbeiten und auf diese Weise der Eigenkontrolle zuzuführen. Weir entdifferenziert die Schulwirklichkeit durch Triebfreisetzung, anstatt sich beherrscht der Mühe zu unterziehen, sie differenziert darzustellen und von da aus gangbare Reformwege aufzuzeigen. Insoweit




ist sein Film eher ein Rückschritt. Im folgenden soll versucht werden, die Entdifferenzierung kritisch rückgängig zu machen.

Keating lässt die Schüler beispielsweise die poesiekundlichen Einleitungen ihrer Gedichtsammlung herausreißen. Er will die Poesie von den Schönheit nachweisenden Instrumenten befreien, sie „unmittelbar" erlebbar machen, und bedenkt dabei nicht, dass dann an einem Gedicht nichts als eine in Prosa genauso gut ausdrückbare, in der Regel banale Inhaltsaussage übrigbliebe. Dichtung muß bekanntlich mit der Tiefenperson resonieren und gleichzeitig die Höhenperson in ihrem Warum-Anspruch befriedigen, damit einem Kunstwerk, weil verstanden, die seiner Schönheit gebührende Bewunderung gezollt werden kann. Wie wäre andernfalls ein gutes Gedicht von Kitsch abzugrenzen?

Ebenso wenig schätzt er Horaz angemessen ein, wenn er sein „carpe diem" als eine dem natürlichen Hedonismusgefälle folgende Aufforderung begreift und nicht vielmehr als Heilmittel gegen Zukunftssorgen und _befürchtungen. Der epikureische Dichter wusste, wie sein Meister aus Samos, sehr wohl um die Rache der Realität bei allzu großem Hang zu den naturbedingten Neigungen. Sein Preis gilt zumindest genauso sehr der „aurea mediocritas" des gesunden Mittelwegs, der viel begehbarer ist als der, in der Erzählung des Prodikos, steile und mühsame Pfad der Tugend, den Herkules sich zur Vollbringung seiner Arbeiten als Lebensweg erwählt hat.

Wenig schlüssig ist die Einführung der Jungen in das Phantasieleben vorgeführt. Die Jugendlichen in Weirs Film treiben den üblichen jugendlichen Blödsinn. Sie rauchen, klauen Lebensmittel von einem Stand, tanzen unbändig, verfolgen sich übermütig und haben Spaß an bekleideten und unbekleideten Mädchen. Sie verbiegen die vier hehren Prinzipien von Welton respektlos zu „Travestie", „Ekel", „Dekadenz" und „Lethargie". Derlei Treiben setzt starkes Phantasieleben voraus, das bereits vorhanden ist. Weirs Schüler sind alles andere als geduckte Streber.

Der Film gerät in die Gefahr, die schiere Tatsächlichkeit nicht zu beachten, die Freud so beschreibt: „Eine Handlung des Ichs ist dann korrekt, wenn sie gleichzeitig den Anforderungen des Es, des Überichs und der Realität genügt." Orientierung am Es allein, wie sie Keating tendenziell bei seinen Schülern fördert, bestraft sich binnen kurzem von selbst. Keine Zusammenkunft von Menschen, so zeigt die Erfahrung, ist ersprießlich ohne Minimum an Verfahrensregeln. Andernfalls wären Hausordnungen, Dienstordnungen, Schulordnungen überflüssig. Ein alle verpflichtender Orientierungsrahmen ist in institutionellen, ja sogar in informellen Menschenversammlungen unverzichtbar.

So ist der Boden, auf dem Keating seine Schule fundieren möchte, nicht recht erkennbar. Erkennbar ist der Wunsch nach Lösung vom Alten. Es fehlt auffallend die konkrete Setzung von Neuem. Kritik als Selbstzweck kann ja wohl nicht als Lösungsvorschlag gelten. Leben in Gemeinschaft hat zu jedem Zeitpunkt der Menschheitsgeschichte die Unbequemlichkeit bedeutet, dass der einzelne seinen Standort irgendwo zwischen Überich und Es, zwischen Gesellschaftsnorm und Neigung, zu suchen und einzunehmen hat. Diese Notwendigkeit, die sich aus unserer Eigenschaft als „animal sociale" ergibt, hat Freud in seiner Schrift „Das Unbehagen in der Kultur" in nach wie vor gültiger Form dargestellt. Immer gab es aber auch Versuche, die die unerfreuliche Kluft zwischen Normerfüllung und Lust, zwischen Pflicht und Neigung, überbrücken wollten und, wie Schiller, nach einem Menschenideal Ausschau hielten (er nannte es das ästhetische), in dem der Pflicht mit Neigung gefolgt wird.

Allerdings ist dieses Ideal weit jenseits einer möglichen Realisierung angesiedelt. So kann es nur als schöne Verblendung oder schlicht als Augenwischerei bezeichnet werden, Schülern in einem Lichtspiel ein Schul- und Lernideal vorzugaukeln, in dem sich durch Änderungen des Lehrverhaltens oder die einfache Forderung nach begnadeten Lehrerpersönlichkeiten, die die Schüler einfach mitreißen, das zu erbringende Pensum freudig und quasi von selbst erledigt. Das aber ist die implizite Botschaft von Weirs Film.

Der praktisch und theoretisch einschlägig aktive Pädagoge Oskar Seitz schreibt: „Nun sind Forderungen der Erziehung dem Schüler zuerst unbequem. Er soll Verzicht üben, Lust aussetzen, sich konzentrieren, nachdenken, arbeiten etc. Denken und Tun vom Bauch in den Kopf verlagern, sich an zeitlich

Entferntem bzw. an immateriellen Werten orientieren, ist der Schüler nicht immer, nicht gerne, nicht

ohne Weiteres von sich aus bereit. Dieser Gegensatz zwischen Erzieher und Schüler ist die allgemeine Bedingung für erzieherische Problemsituationen. So betrachtet ist die Störung die Normalität."

Schule war und bleibt eine Institution, die dialektisch die Werte der „Welton Preparatory School" und die Werte Keatings miteinander vereinbaren und das daraus hervorgehende Amalgam kontrolliert vermitteln will und soll. Wem das ein unlösbarer Widerspruch zu sein scheint, der kann unmöglich Erziehungserfahrung haben. Der Erzieher hat genau diesen schwierigen Weg zwischen beiden Klippen hindurch kunstreich zu wählen oder er erzieht nicht. Schule und Erziehung, soviel ist sicher, schließt das beliebige Öffnen der Neigungsschleusen oder das Überwiegen des gegenteiligen Extrems der ingrimmigen Neigungsrepression aus. Das Erwachsenenleben erfordert bekanntlich das gleiche allzeit zu leistende Integrationsgeschick.

In einer Untersuchung der FU Berlin zur Veränderung der Erziehungsziele der Eltern zwischen 1950 und 1990 hat sich ergeben, dass der in den Nachkriegsjahren stark angestrebte Erziehungswert „Gehorsam/Unterordnung" sich in der Gegenwart ständig nach unten bewegt hat, während „Selbständigkeit und freier Wille" bis in die neueste Zeit eine Kurve nach oben aufweisen. Nur „Ordnung und Fleiß" sind seit 1950 bis heute ungefähr auf gleichem Level geblieben. Um 1968 ergibt sich für das erstere Wertepaar ein merklicher Knickruck nach unten und für das nächste Wertepaar nach oben, während „Ordnungsliebe und Fleiß" nur einen temporären Abwärtsknick aufweisen und dann wieder zurückpendeln. Die Folgen dieser Entwicklung sind für die täglich Unterrichtenden durchaus spürbar. Weirs Film erweist sich als spätgeborener Abkömmling der 68er Jahre, deren hochgegriffene Erziehungsziele an der Realität des Schulalltags, der ohne ein hohes Maß an Nötigung nicht zu machen ist, scheiterten.

Der Film endet mit dem schalen Geschmack der im Zuschauer aufgewirbelten Aggressivität, die durch den romantisch-melodramatischen Aufstandsgestus der Schüler zugunsten Keatings kaum abgeführt wird. Wer aber ist für den Scherbenhaufen verantwortlich zu machen, nämlich den Tod eines der Jungen? Der Vater, sagen die Kameraden. Der Vater und die Schule, sagen die Zuschauer. Und Keating? In einer Szene steht er im leeren Klassenzimmer vor dem Platz des toten Neil Perry, setzt sich dann und weint hemmungslos. Fühlt er sich schuldig für das Wecken von Geistern, zu deren Bändigung er nicht in der Lage war? Der weitere Verlauf der Handlung weist kaum darauf hin. Wie aber ist Schüler Camerons, des „Verräters", Aussage zu entkräften, der den Keating-Verteidigern unter seinen Klassenkameraden entgegenschleudert: „Wenn Mr Keating nicht gewesen wäre, würde Neal jetzt in seinem Zimmer hocken und Chemie pauken."?

Es ist für einen Lehrer erlebnisreich und zählt zu seinen beruflichen Glanzpunkten, wenn es ihm gelingt, mit einer Klasse ein personales und quasi-partnerschaftliches Verhältnis herzustellen, auch wenn er seine pädagogische Autorität beibehalten muß. Keatings Verhältnis zu seinen Schülern ist allerdings von anderer Art. Nennen wir es personalistisch. Er zieht sie förmlich an sich. Er fordert die Mutigen unter ihnen auf, ihn (nach einer Verszeile Walt Whitmans) mit „O Captain! My Captain!" anzureden. An dem Schüler Anderson wird er geradezu und vor der Klasse als Therapeut tätig, wenn er dessen reprimierte Emotionalität urschreihaft entbindet und seine poetischen Fähigkeiten aufschließt. Keating lenkt mit seiner Personalisierungsmethode die in jedem Jugendlichen schlummernden, unterentwickelten affektiven Seiten hin zur Orientierung an seiner Person. Er bedient sich der Technik des Leittiers, die Abhängigkeiten verstärkt, nicht auflöst.


Keating forciert die Identifikations- und Übertragungsbereitschaft seiner Schüler auf sich selbst und übernimmt damit ein Maß an Verantwortung, das ein Lehrer unmöglich tragen kann. Als der Schüler Dalton, der Gefahr läuft, wegen eines dummen Streiches von der Schule gewiesen zu werden, Keating die Frage stellt: „Welche Chancen verbau ich mir damit schon?", entgegnet dieser mit dem narzisstischen Hinweis: „Zum Beispiel die Möglichkeit, an meinem Unterricht teilzunehmen."

Neil Perrys Neigungen werden geweckt, er kann nun zu ihnen stehen, wird aber letztendlich von Keating im Stich gelassen, dessen Verantwortung mit dem Unterricht in seinem Klassenraum nicht enden kann. Dem Umfeld Schulinstitution und Eltern gegenüber bleibt er unbegreiflich passiv. „In Kontakten mit Eltern ist deren erzieherische Haltung zu akzeptieren, gleichzeitig sind ihnen aber Aufgabe und Haltung des Lehrers nahezubringen. Bisweilen ist es hart für Eltern einzusehen, dass der Weg des Lehrers gleichfalls, nur anders, der beste für die Entwicklung ihres Kindes ist", schreibt Seitz.

Keating hat nichts unternommen, den Schüler Neil Perry dadurch vor seinen Eltern zu schützen, dass er das vermittelnde Gespräch mit ihnen und seinen Vorgesetzten zugleich gesucht hätte. Es wäre vielleicht gescheitert. Aber die unterlassene Bemühung lässt ihn mit Schuld zurück, der Mitschuld am Tod des Jungen, trug er doch aktiv zu dessen Selbstverwirklichungsversuchen, die ihm zum Verhängnis wurden, bei. Diese Dimension gerät dem Film nicht ins Blickfeld. Er verleugnet sie geradezu, da er Keating als den makellosen erzieherischen Helden benötigt, der er schwerlich sein kann. Hierin gleicht „Der Club der toten Dichter" den meisten Schulfilmen, die Bilder rascher und leichter Lösungen des Schweren vorführen, die raue pädagogische Kleinarbeit jedoch, bei der der Teufel im alltäglichen, ja allstündlichen Detail steckt, den Pädagogen überlassen _ unter dem Vorbehalt jederzeit möglicher Kritik natürlich.

Franz Strunz

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