Brücken bauen - Französischer und ukrainischer Besuch in München
Internationale Freundschaften, interessante Erfahrungen und ein neues Bewusstsein für europäische Angelegenheiten – dies ist der Gewinn den wir, mehrere Schüler der 11. Klasse, aus dem Zusammentreffen mit anderen Jugendlichen aus Kiew und Bordeaux ziehen. Im Zuge der 850. Jahrfeier der Stadtgründung Münchens hatten diese ca. 20 Mädchen und Jungen die Möglichkeit an einem München-Quiz teilzunehmen, welches vom Goethe-Institut organisiert wurde, einem weltweitvernetzten Spracheninstitut, das weltweit Deutschkurse für Ausländer anbietet. Die zehn Besten aus der jeweiligen Stadt durften für zwei Wochen einen Aufenthalt in München genießen, natürlich in Verbindung mit einem vielfältigen Kulturprogramm. Das TLG war dafür zuständig die Ukrainer und Franzosen hier in München zu begleiten. Von Fr. Bräuer erfuhren wir von diesem Austausch, meldeten uns gerne freiwillig und bereuten dies überhaupt nicht, zumal die veranschlagten Termine alle zur Schulzeit stattfanden und wir somit vom parallel laufenden Unterricht befreit waren. Beim einen oder anderen legte sich diese Motivation vielleicht ein wenig als dann bekannt wurde, dass das Europaplanspiel, gleich die erste Veranstaltung, bis in den Nachmittag hinein dauern sollte.
Dieser deutsch-französisch-ukrainische Workshop begann mit ein paar kleinen Spielen in Bezug auf Europa, die zum ersten Kennenlernen dienten. Anfangs verhielten sich alle noch etwas zurückhaltend doch spätestens als wir in drei separate gemischte Gruppen eingeteilt wurden, die sich arbeitsteilig mit den Themen „Meilensteine der Geschichte – Fundamente der EU“, „Identität und Werte“ und „Institutionen der EU als Brückenbauer“ behandeln sollten, war alle Schüchternheit verflogen und es wurde kräftig diskutiert. Gegen Ende des Tages präsentierte jede Gruppe ihre Ergebnisse an Hand von Plakaten.
Zum einen waren die verschiedenen Ämter und Institutionen, aus denen die Europäische Union besteht, erarbeitet worden, zum anderen die gesetzliche Verankerung grundsätzlicher Wertvorstellungen ( Freiheit, Gerechtigkeit, …) in der Charta der EU. Die dritte Gruppe stellte anhand eines Baumes die Entwicklungsgeschichte der EU dar. Antike Einflüsse der Römer und Griechen bildeten die Wurzeln des Baumes, geschichtliche Ereignisse, wie die französische Revolution, den Stamm und die Krone heutige europäische Zusammenschlüsse, wie die NATO, OSZE, GUS,…. Doch auch aus faulen Früchten, dem Holocaust und vielen Kriegen, bestand dieser Baum. Die folgenden Tage hatten wir eine Audienz beim EU-Abgeordneten Bernd Posselt, sowie ein Treffen mit dem Stadtrat Müller im Rathaus. Auch die gesellschaftlichen Aktivitäten können nicht zu kurz, den nach kurzer Zeit hatten wir schon Nummern ausgetauscht und gemeinsame Pläne fürs Wochenende. In der zweiten Woche grillten wir nachmittags bei wunderschönem Wetter und ließen auch diesen Abend noch länger in Schwabing ausklingen. Während diesen zwei Wochen lernten wir uns immer näher kennen, mal auf Deutsch sprechend mal auf Englisch oder Französisch. Nur mit Ukrainisch wurde es dann etwas kompliziert. Reibungsfrei verlief der Kulturaustausch, lediglich in einem Punkt machte sich bei den Ukrainern Enttäuschung über das westliche Unwissen der östlichen Geschichte und des heutigen Standes dort. So war wohl kaum jemandem davor bekannt, dass GUAM ( Georgien, Ukraine, Aserbaidschan, Moldawien ) das mitteleuropäische Freihandelsabkommen ist oder dass es überhaupt existiert. Genau so wenig wusste ich, und damit bin ich wahrscheinlich nicht alleine, dass wärend des ersten ukrainischen Hetmanat (einem revolutionären Aufstand mit anschließender Herrschaftsübernahme der Kosaken) bereits 1649 ein Grundrechtekatalog entwickelt wurde, vor der französichen Revolution, die sich diesen Katalog wohl zumindest teilweise als Vorlage nahm. Dagegen wussten die Ukrainer genau über westeuropäische Angelegenheiten Bescheid, so z.B. über die EFTA (europäische Freihandelsorganisation), die selbst manchem Westeuropäer kein Begriff ist. Interessant war auch, dass der EU-Abgeordnete Hr. Posselt diese Situation auch in den Fraktionen des Europäischen Parlaments beobachten konnte, welche viele osteuropäische Abgeordnete resigniert als Desinteresse empfinden. Im Ganzen verstanden wir uns alle sehr gut. Mit vielen Ukrainern, welche außerdem erfreulich gut deutsch sprachen, und Franzosen werden viele von uns auch weiterhin über e-mail Kontakt halten. Alles in allem waren diese zwei Wochen eine wertvolle Erfahrung. Wir haben die Lebensfreude der Ukrainer kennengelernt, sowie die große Freundlichkeit der Franzosen. Auch allgemein verbreitete Klischees konnten wir aus dem Weg räumen, so war bei den Jugendlichen aus Bordeaux eher keine Fan von Froschschenkeln zu finden. Wir hoffen, dass auch wir nicht den typischen, mürrischen aber absolut pünktlichen Deutschen vertreten haben (zumindest das natürlich nicht) und sind uns auf jeden Fall sicher, dass das Leitwort dieses Austauschs „Brücken bauen in Europa“ in keinerlei Hinsicht ihr Ziel verfehlt hat.