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IV. Nanotechnologie in der Gentechnik
- Rasterkraftmikroskopie in der Chromosomenanalyse
Einer der entscheidenden Fortschritte der Molekularbiologie war die Entwicklung von Methoden zur Analyse der Basensequenzen von DNA – Stücken .
Um Erbkrankheiten zu diagnostizieren nutzt man neuerdings DNA – Sequenzdaten auf molekularer Ebene, in dem man die Gene eines gesunden mit denen eines kranken Individuums vergleicht.
Bei dem Standardverfahren, für z.B. pränatale Diagnosen, werden optische Mikroskope eingesetzt, um die Lage und den Zustand des menschlichen Chromosomensatzes, den man zuvor durch Spreitverfahren auf einem Objektträger erhalten hat, zu untersuchen. Durch die Überprüfung der eingefärbten Metaphasechromosomen auf Anzahl, Gestalt und Anordnung der Banden, kann man nur zu sehr generellen Aussagen kommen.
Optische Mikroskope können eine Probe maximal tausendfach vergrößern; eine Vergrößerung, die natürlich zu gering ist, um ein detailiertes Bild von der DNA - Struktur in aufspiralisierten Zustand zu erhalten.
Eine Lösung wäre es, ein SEM statt einem herkömmlichen optischen Mikroskop für die Chromosomenanalyse zu verwenden. Ein SEM verbindet zwar eine sehr hohe Vergrößerungsrate mit einer guten Auflösung, bringt aber einige technische Nachteile in Bezug auf das Abtasten von biologischem Material mit sich (vgl. III. 2. a)).
Mit dem AFM sind diese Schwierigkeiten nicht verbunden, denn die Objekte brauchen keine Spezialbehandlung. Die Präparationsmethoden für die untersuchenden Proben sind hier identisch mit denen für die Lichtmikroskopie, die Auflösung und die Vergrößerung ist aber deutlich höher und Details innerhalb der Chromosomen werden mit noch nie dagewesener Pärzision sichtbar.
Mit dem AFM können zuverlässige Diagnosen hinsichtlich genetisch bedingter Defekte gemacht werden, denn es ist nun sehr einfach, Chromosomen zu klassifizieren und einzuordnen.
Das AFM wird generell von allen Forschungsgruppen benützt, die sich auf das Aussehen der DNA – Strukturen konzertriert haben, denn jede Krümmung und Kerbe im DNA – Faden und die Andockstellen für Proteine und Enzyme können auf einer Größenskala von ungefähr 10 nm betrachtet und untersucht werden.
- Rasterkraftmikroskopie in Verbindung mit Gensonden
In diesem Zusammenhang wurden auch Experimente mit Gensonden durchgeführt.
In der Biochemie bezeichnet man organische Moleküle, die kovalent an Makromoleküle gebunden werden können oder auch an Makromoleküle assozieren oder interkalieren, als Sonden (Galla: Spektroskopische Methoden in der Biochemie, S. 61).
Diese Sonden docken an einer ganz bestimmten Stelle innerhalb des Chromosomensatzes von 23 oder 46 Chromosomen auf einem ganz bestimmten Chromosom an. Um sie wiederzufinden, bedarf es eines Mikroskops mit sehr hoher Auflösung. Das AFM ist für diese Aufgabe prädestiniert.
3. Kraftspektoskopie bei der DNA
Mit dem AFM kann man nicht nur die Topographie eines Chromosoms betrachten, sondern auch physikalische Parameter, wie Viskosität und Elastizität bzw. allgemein das Verhalten unter Druck prüfen.
Diese Technik nennt am Kraftspektroskopie (AFS).
Mit diesem Verfahren ist es Forschern gelungen, die winzigen Kräfte zwischen Molekülen direkt zu messen.
Amerikanische Forschergruppen haben es sogar geschafft, die Kräfte zu bestimmen, die notwendig sind, um einzelne komplementäre Basenpaare auseinanderzureißen. Ein DNA – Fadenende wurde an der Spitze eines AFM`s, das andere Ende an der Objekträgeroberfläche befestigt und die Spitze wurde langsam von der Oberfläche entfernt, während man die zum Zerreissen notwendige Kraft, die an der Spitze ansetzte, gemessen hat.
Die Werte bewegten sich in einem Bereich von ca. 1 nN, was noch im Meßbereich des AFM´s liegt.
Vielleicht wird es eines Tages möglich sein, Chromosomen zu sequenzieren, indem man die DNA - a - Helix wie einen Reißverschluß öffnet und die Kraft, die für das Zerreissen jedes Basenpaares benötigt wird, registriert und wiedererkennt.
- Rasterkraftmikroskopie als Nanomanipulator
- Funktionsweise
Eine destruktive Wechselwirkung zwischen Sondenspitze und dem Probenobjekt während des Abtastvorgangs – ein Unfall, der sich leicht ereignen kann – wurde bisher als ein sehr großer Nachteil dieser Technik angesehen, der manchesmal die Vorbereitungsarbeit von mehrern Tagen zerstört hat, stellt aber zugleich eine neue Anwendungsmöglichkeit der SXM – Technik dar.
Jede SXM – Spitze kann als ein winziges und sehr präzise arbeitendes Werkzeug für Arbeiten im Nanobereich verwendet werden.
Biologische oder auch andere Materialien können so in ihrer Molekularstruktur manipuliert werden.
So kann die Spitze des AFMs nicht nur zum Abtasten dienen, sondern auch als ein "Nanoskalpell" (Heckl: Bioforum 1999, S. 2) fungieren.
Mit diesem Nanoskalpell hat man die Möglichkeit, menschliche Chromosomen an einer gewünschten Stelle zu zerschneiden bzw. zu teilen.
Wegen der extremen Genauigkeit, mit der dieses Werkzeug arbeitet, im Prinzip bis zur Atomschärfe, kann das Verfahren der Mikrozerteilung auch bei Objekten, deren Größe sich auf der Submikron – Skala befindet, angewendet werden.
Würde die Sondenspitze, wegen des hydrophilen Naturells des Materials (meist Silizium oder Siliziumnitrid), aus dem sie gefertigt ist, nicht auch noch wie eine "Nanopipette" bzw. "Nanopinzette" wirken und die Biomoleküle anziehen und festhalten, würde die Nanozerteilung nicht von großem Nutzen sein. Molekülgroße Stücke auszuschneiden ist eine Sache, diese aber, um sie weiterzuverarbeiten, aufzunehmen und umzutransferieren, ist eine andere.
AFM-Spitze mit einem extrahierten DNA-Fragment (aus VIII.,10.)
Winzige Stücke, mit einem Gewicht kleiner als ein Femtogramm, können so aus Chromosomen extrahiert, angesammelt und für nachfolgende Verfahren, wie Massenspektroskopie oder biochemische Prozesse, weiterverwendet werden.
Mit dem AFM hat man eine Vielzahl von Nanowerkzeugen, denn durch Ätzverfahren können die unterschiedlichsten Spitzen hergestellt werden:
Nanomesser, Nanozangen, Nanoschäufelchen, Nanoskalpelle usw..
Das AFM kann in zwei verschiednen Modi arbeiten, wenn es Material zerschneidet. Entweder im "Kratzmodus", bei dem die Sonde mit einer gleichbleibenden Kraft von ca. 30 µm (Heckl: Bioforum 1999, S. 3) mit der Probe im Kontakt ist oder im "Stanzmodus", bei dem die Spitze mit einer Frequenz von 10 Hz und einer Geschwindigkeit von 1 µm /sek. (Heckl: Bioforum 1999 S. 4) in der Vertikalen vibriert. Der letztere Modus gewährt einen feineren Schnitt.
- Anwendungsmöglichkeiten
Die Mikrozerteilung von Chromosomen stellt ein Verfahren dar, die DNA von jeder zytogenetisch erkennbaren Region zu isolieren.
Dieses isolierte Material kann für zahlreiche Anwendungen genutzt werden:
- regionsspezifische Sonden für FISH
- erstellen von chromosomenbandspezifischen Bibliotheken
- physikalische Genkartierung
- zytogenetische Analyse (z.B. pränatale Diagnosen)
- Evolutionsforschung
- Klonierung von Genen
- Die Kombination von Nanozerteilung und PCR – Vervielfältigung
Die Arbeitsgruppe "Rastersondenmikroskopie" unter der Leitung von Prof. Dr. Heckl hat ein neues Verfahren entwickelt, bei dem AFM – Nanozerteilung mit Hochempfindlichkeits – PCR kombiniert wird.
Die Polymerase Chain Reaction (PCR) ist eine chemische Methode, um einzelne DNA – Segmente eines genetischen Materials mehrere Millionen mal zu replizieren. Zwei kurze Oligonukleotide (chemisch sythetisierte DNA – Fragmente) werden so synthetisiert, dass sie sich korrekt an die gegenüberliegenden Stränge der DNA, die man replizieren möchte, binden.
An den Verbindungspunkten kann nun das hinzugefügrte Enzym DNA – Polymerase beginnen, den genetischen Code abzulesen und neue Nukleotide komplmentär zur Basensequenz anknüpfen. Durch diesen Vorgang werden zwei DNA – Doppelstränge erzeugt. Die so gewonnene Probe wird dann erhitzt, damit sich die Stränge wieder trennen und wieder abgelesen werden können.
Durch solche sich wiederholenden Zyklen ist es möglich, Millionen von Kopien eines DNA – Segments innerhalb von wenigen Stunden zu erhalten.